Die Entscheidung des BGH, die sich mit den Anforderungen an Eltern befasste, sich von der Haftung in Filesharing-Prozessen zu exkulpieren, wenn ihr minderjähriges Kind die Verletzung begangen hat ist im Volltext veröffentlicht. (BGH, 15.11.2012 (Az. I ZR 74/12))
Sie macht erstmals klar, in welchem Umfang Eltern dazu verpflichtet sind ihre Kinder zu belehren und zu beaufsichtigen.
Zum Hintergrund:
Im Jahre 2007 erstatteten die Rechteinhaber von 1147 in Tauschbörsen zur Verfügung gestellten Titeln Strafanzeige. Bei der daraufhin folgenden Durchsuchung stellte sich heraus, dass es der 12 bzw. 13 jährige Sohn des Ehepaares war, der die Titel zur Verfügung gestellt hatte.
Die Rechteinhaber mahnten das Ehepaar daraufhin ab. Sie postulierten, dass eine elterliche Aufsichtspflichtverletzung vorläge.
Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung wurde abgegeben, die Zahlung verweigert.
Kaum 5 Jahre später fand sich der Prozess vor dem BGH. Der nun endgültig klar machte, dass Eltern keine Misstrauenspflicht gegenüber ihren Kindern haben.
Der Leitsatz lautet:
"Eltern genügen ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits
dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten.
Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht.
Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt."
Das sind im Vergleich dazu, was Eltern nach Ansicht der Rechteinhaber und Vertreter dieser leisten müssten verhältnismäßig geringe Anforderungen.
Denn diese meinten, dass Eltern zusätzliche technische Sperren einbauen müssten, dass sie die Kinder belehren müssten und vor allem auch laufend kontrollieren müssten.
"Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagten hätten ihrem Sohn die Nutzung des Internets in ihrer Abwesenheit nur gestatten dürfen,
wenn sie hinreichende Verhaltensregeln aufgestellt und deren Einhaltung kontrolliert hätten."
Es wurde davon ausgegangen, dass eben die Maßnahmen zur Einhaltung der vorgegebenen Verhaltensregeln nicht ausreichend waren. Das Berufungsgericht hatte auch postuliert, dass hierzu technische Maßnahmen, wie zum Beispiel Firewalls oder dergleichen installiert werden, sowie ein laufende Überwachung erfolgt.
Bereits in einem früheren Urteil hatte der BGH entschieden:
"Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. Entscheidend ist, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ein Kind zu verhindern. Dabei kommt es für die Haftung nach § 832 BGB stets darauf an, ob der Aufsichtspflicht nach den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles genügt worden ist"
Daraus ergibt sich, "dass Eltern, die ihrem minderjährigen Kind ihren Internetanschluss zur Verfügung stellen, ihrer Aufsichtspflicht grundsätzlich bereits dadurch genügen, dass sie das Kind über die mit der Internetnutzung verbundene Gefahr von Rechtsverletzungen belehren, wobei sich Inhalt und Umfang der Belehrung nach Alter und Einsichtsfähigkeit des jeweiligen Kindes richten."
Dagegen sind Eltern nach dieser Auffassung grundsätzlich "nicht verpflichtet, dem Kind den Internetzugang teilweise zu versperren, die Nutzung des Internets durch das Kind ständig zu überwachen und den Computer des Kindes regelmäßig zu überprüfen. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern vielmehr erst dann verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind haben"
Diese Auffassung vertritt auch der entscheidende Senat.
Weitergehende Maßnahmen sind erst dann notwendig, wenn konrete Anhaltspunkte für eine Urheberrechtsverletzung vorliegen.
"Die Anforderungen an die Aufsichtspflicht, insbesondere die Pflicht zur Belehrung und Beaufsichtigung von Kindern, richten sich nach der Vorhersehbarkeit des schädigenden Verhaltens." (Az. I ZR 74/12)
Die Forderung ein Kind müsse gleichsam unter Generalverdacht gestellt und überwacht werden, da es eine ständige Gefahr bedeute wurde vom Senat abschlägig bedacht.
Denn gem. § 1626 I S. 2 BGB sollen die Eltern bei der Pflege und Erziehung die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln berücksichtigen.
Auch mit dem Argument, dass die Aufsichtspflicht sich im Verhältnis zur Gefahr steigere konnten die Rechteinhaber nicht punkten. Denn im Verhältnis zum Straßenverkehr oder anderen Gefahrenquellen ist die des Filesharing nicht besonders gewichtig.
Auch eine besonders intensive Aufklärung sei nicht notwendig gewesen.
Fazit:
Das Urteil ist ein weiterer Schritt, der es den Rechteinhabern und ihren Vertretern schwerer macht, ihre Rechte durchzusetzen. Es ändert aber nichts an der Vermutung der Verantwortung des ermittelten Anschlussinhabers gemäß des BGH Urteils "Sommer unseres Lebens".
Zudem ist zu beachten, dass die Einsichtsfähigkeit, von 7 Jahren bis zu Volljährigkeit zu. Das bedeutet aber Viceversa auch, dass man mit zunehmendem Alter dann dazu übergehen könnte die Kinder selbst abzumahnen bzw. anzugehen.
Es handelt sich hier um einen Fall, der festgestellt wurde in Zeiten, in denen die Staatsanwaltschaft noch Durchsuchungen durchführte. Also definitiv festgestellt wurde, dass bspw. der Computer nur von Sohn genutzt wurde.
Es kann also immer noch keine Entwarnung gegeben werden. Es handelt sich hier um einen Einzelfall.
Rechtliche Beratung durch einen Rechtsanwalt ist im Falle einer Abmahnung weiterhin unabdinglich.
Hier gehts zur Rechtsberatung!
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Über Rechtsanwalt Dominik Sedlmeir LL.M., M.A.:
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